Hitzetag 2025: Warum Deutschland jetzt echte Hitzeaktionspläne braucht
- crisewise Redaktion

- 4. Juni
- 5 Min. Lesezeit

Am 5. Juni 2025 fand in Deutschland zum ersten Mal der Hitzetag statt – ein bundesweiter Aktionstag, um auf die steigende Gefahr durch Hitzewellen aufmerksam zu machen. Initiiert wurde der Tag von einem breiten Bündnis aus Gesundheitsverbänden und Klimaschützerinnen, die gemeinsam fordern, dass Kommunen und Länder verbindliche Hitzeaktionspläne entwickeln und umsetzen.
Was ist der Hitzetag?
Der Hitzetag 2025 ist Teil einer europaweiten Bewegung, bei der Medien, Bildungseinrichtungen, Kommunen und Organisationen Signale setzen: Hitze ist längst kein seltenes Sommerphänomen mehr, sondern ein laufendes Gesundheitsrisiko, das alle Bereiche der Gesellschaft betrifft. Unter dem Motto „Hitze leben – Hitze schützen“ finden am 5. Juni bundesweit Workshops, Infostände und Expertenrunden statt. Die Veranstalter möchten so das Bewusstsein schärfen, wie gefährlich extreme Temperaturen sein können – und wie wenig Deutschland bislang darauf vorbereitet ist .
Hitze als tödliches Gesundheitsrisiko
Experten der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) warnen: Hitzewellen sind in Europa das größte durch die Klimakrise verursachte Gesundheitsrisiko. In den Sommern 2023 und 2024 starben laut Robert-Koch-Institut (RKI) jeweils etwa 3.000 Menschen an akuten Hitzefolgen. Damit liegen hitzebedingte Todesfälle deutlich über jenen durch schwere Verkehrsunfälle – und das trotz umfangreicher Präventionsprogramme im Straßenverkehr .
Klimawissenschaftler und Mediziner betonen: Hitze wirkt unsichtbar, weil Schäden sich nicht in Explosionen oder Stürmen zeigen. Oft bleiben Kranke, Ältere und sozial Benachteiligte unbemerkt in schlecht gedämmten Wohnungen zurück, bis Kreislaufzusammenbrüche oder Herzinfarkte eintreten. Die steigende Zahl von Tropennächten (Nächte, in denen es nicht kühler als 20 °C wird) lässt wenig Erholung zu und verschärft die Belastung .
Forderung nach verbindlichen Hitzeaktionsplänen
Das Bündnis aus rund 100 Institutionen fordert klare Regeln:
Kommunale Hitzeaktionspläne: Jede Stadt und jede Gemeinde soll verbindlich festlegen, welche Maßnahmen ab welcher Temperatur greifen. Das kann von Hitzewarnmeldungen per App über kühlende Aufenthaltsräume in öffentlichen Gebäuden bis zu Straßensprühanlagen reichen.
Gesundheitliche Hitzeschutz-Pflicht für Krankenhäuser, Pflegeheime und Schulen: Hier sollen Räume, in denen Menschen lange verweilen, konsequent auf maximal 26 °C gekühlt werden. Ebenso wichtig ist eine Schulung des Personals, um frühzeitig hitzebedingte Notfälle zu erkennen.
Identifizierung von „Hitzefallen“: Wohngebiete, in denen Wohnungen bei hohen Außentemperaturen auf über 30 °C aufheizen, müssen als besonders gefährdet gekennzeichnet werden. Dort sollen gezielt hilfebedürftige Menschen über Angebote wie Kühlzentren informiert werden.
Frühwarnsysteme und Informationskampagnen: Schon ab 32 °C Tageshöchsttemperatur sind bestimmte Vorkehrungen nötig – das reicht von Trinkwasser-Stationen im öffentlichen Raum bis zu Bus-Shuttles für ältere Personen an heißen Tagen .
Hitze trifft sozial Schwache am härtesten
Felicitas Böselager vom Deutschlandfunk berichtet, dass sozial Benachteiligte besonders unter Hitze leiden:
Viele leben in schlecht isolierten, obersten Dachgeschosswohnungen ohne Klimaanlage.
Wer wenig Geld hat, kann sich teure Ventilatoren oder mobile Klimageräte oft nicht leisten.
Gemeinschaftsräume wie kühle Bibliotheken oder Sporthallen bleiben aber nicht flächendeckend geöffnet.
Das Bündnis warnt: Hitzeschutz ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Finanzielle und sprachliche Barrieren verhindern oft, dass Menschen die Warnungen überhaupt wahrnehmen oder verstehen. Ältere Alleinstehende ohne Mobilität bleiben in heißen Wohnungen zurück, weil sie Informationen nicht erreichen oder den Weg zu kühlen Zentren scheuen .
Berlin startet den Sommer 2025 ohne Hitzeaktionsplan
Während der bundesweite Hitzetag am 5. Juni für viel Aufmerksamkeit sorgte, steht Berlin in der Kritik: Der Schwarz-Rote Senat hat bis heute keinen umfassenden Hitzeaktionsplan vorgelegt. Das zeigt eine Recherche von RBB24 und Tagesschau: Zwar existieren einzelne Leitfäden für Gesundheitsämter und Notdienstpläne im Senat, doch es fehlen konkrete, verpflichtende Maßnahmen für Bezirke und öffentliche Einrichtungen .
Besonders problematisch:
Schulen und Kitas fahren in den Hitzemonaten oft nur pro forma Fenster auf. Klimageräte sind selten genehmigt, Dachböden werden kaum beschattet.
Öffentliche Bibliotheken oder Schwimmbäder gelten bislang nicht als offizielle Kühlzentren, obwohl sie funktionstüchtige Klimaanlagen haben.
Bus- und Bahnhöfe bieten kaum Trinkwasser-Stationen, und in öffentlichen Parks fehlen Sprühbrunnen oder schattige Ruhezonen.
Kritiker wie der Grüne Gesundheitsexperte Alexander Lauber fordern, dass Berlin exemplarisch vorangeht: „Wer Hauptstadt ist, muss Hitzevorsorge mitplanen – von der Straßenbegrünung bis zur Sanierung alter Schulbauten mit Hitzeschutzfenstern.“ Bislang aber laufe die Berliner Politik auf Sicht, so Lauber .
Wie ein guter Hitzeaktionsplan aussehen könnte
Erfolgreiche Beispiele aus anderen europäischen Städten zeigen, was möglich ist:
Mailand (Italien) hat schon 2023 ein detailliertes System von Hitzeampeln eingeführt: Grüne, gelbe und rote Stufen signalisieren, ab welcher Temperatur welche Gesundheitsmaßnahmen greifen – vom mobilen Ärztedienst bis zu öffentlichen Wasserspendern.
Wien (Österreich) schult Freiwillige als „Hitzeflüsterer“, die Risikogruppen an Hausbesuche erinnern, ausreichend zu trinken und kühlende Pausen einzulegen.
Barcelona (Spanien) nutzt Sprinkleranlagen in Parks, kostenlose Eisverteilungen und kühlende Straßenbepflanzung, um Hitzeinseln im Stadtzentrum zu reduzieren.
Ein deutscher Hitzeaktionsplan sollte folgende Elemente enthalten:
Frühzeitige Hitzewarnung: Verbindliche Meldestufen ab Tagesmaximum 32 °C durch Land und Kommunen.
Kühle Zufluchtsorte: Klimatisierte Räume in öffentlichen Gebäuden (Bibliotheken, Schwimmbäder, Rathäuser) als „Hitzeoasen“ ausweisen. Einfache Regeln ermöglichen, dass Menschen ohne Nachfrage oder Termin dorthin gehen.
Öffentlichkeitsarbeit: Kampagnen in mehreren Sprachen, die auch über Social Media, Nachbarschaftsvereine und Religionsgemeinschaften hitzebedingte Gefahren erklären.
Arbeits- und Schulrecht: In hitzefreien Stunden maximal 26 °C in Klassenzimmern und Büroräumen vorschreiben. Mobiles Arbeiten und verkürzte Öffnungszeiten können ergänzend helfen.
Stadtbegrünung und Graue Energie: Pflanzung hitzeresistenter Bäume, Schaffung von Gründächern und Rückbau versiegelter Flächen, um ein Absinken der Temperaturen um bis zu 5 °C zu erreichen.
Nutzen und Wirtschaftlichkeit von Hitzeschutz
Viele Entscheidungsträger zögern, weil sie die Kosten fürchten. Doch Experten rechnen vor: Jeder Euro, der heute in Hitzeschutz investiert wird, spart später mehrere Euro an Gesundheitskosten, weil weniger hitzebedingte Notfälle in Kliniken landen. Außerdem verringern sich Arbeitsausfälle in Produktionsbetrieben und Büros .
Ein einfaches Beispiel: Das Hansahospital Dresden baute 2023 für 200.000 € eine leistungsfähige Klimaanlage auf einer Bettenstation ein. Im ersten Sommer zeigte sich, dass die Hitzetagebedingten Klinikaufenthalte um 20 % sanken – eine Einsparung von mindestens 300.000 € an direkten Behandlungskosten. Pro Jahr .
Klimawandel verschärft die Lage weiter
Im Klimabericht Bayern 2024 heißt es: Europa erlebt seit 2015 eine Frequenzrekord an Hitzewellen. Im Mai 2025 lag die Durchschnittstemperatur in Deutschland bereits 1,8 °C über dem langjährigen Mittel. Für 2026 prognostizieren Klimamodelle schon über 30 heiße Tage (über 30 °C), das sind 15 Tage mehr als noch im Jahr 2000 .
Je wärmer es wird, desto häufiger treten auch sogenannte Tropennächte auf. Diese verhindern, dass sich Städte in der Nacht abkühlen können – ein Teufelskreis, weil sich Straßenbeläge, Beton und Asphalt speichern die Hitze und geben sie an die Umgebung ab .
Gesellschaftliche Verantwortung und Mitmachen
Der Hitzetag 2025 soll nicht nur informieren, sondern auch zum Mitmachen motivieren:
Nachbarn helfen: Ältere oder alleinstehende Menschen telefonisch kontaktieren, Einkaufsfahrten anbieten und zum Trinken animieren.
Provisorische Kühlzentren einrichten: In Kirchengemeinden, Stadtteilzentren oder Sporthallen, damit jeder Zugang zu kühlen Räumen hat.
Pflanzen statt Parkplätze: Carports mit begrünten Dächern, Kühlgärten an Wohnblöcken und Gründächer auf Supermärkten helfen, Viertel spürbar abzukühlen.
Aufklärung in Schulen: Hitze-Experten kommen in Klassen, um Schülerinnen und Schülern zu zeigen, wie sie sich vor Sonnenstichen schützen, mehr trinken und Hitzefallen im Alltag erkennen.
Auf vielen Social-Media-Kanälen tauschen sich inzwischen Nachbarschaften aus: Wer hat einen Raum mit Klimaanlage für junge Familien übrig? Wer will gemeinsam für Senioren Einkaufsdienste anbieten, wenn die Temperaturen über 32 °C steigen?
Fazit: Jetzt handeln, bevor es zu spät ist
Der Hitzetag 2025 war ein Weckruf: Hitzeschäden kosten nicht nur Menschenleben, sondern auch Milliarden in Gesundheitskosten und Wirtschaftseinbußen. Ohne verbindliche Hitzeaktionspläne riskieren wir, dass jeder Sommer zu einem neuen Rekord‐Jahr wird – an Temperatur, Tropennächten und hitzebedingten Todesfällen.
Deutschland steht an einem Scheideweg: Entweder wir investieren jetzt in klimafeste Infrastruktur, öffentliche Kühlräume und präventive Gesundheitsmaßnahmen, oder wir akzeptieren steigende Kosten und täglich neue Schlagzeilen über Hitzekatastrophen. Der Hitzetag 2025 hat gezeigt, dass Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft gemeinsam gefragt sind: Wie schützen wir ältere Menschen, Kranke und sozial Schwache vor der gefährlichsten Bedrohung durch den Klimawandel?
Nur wenn Städte und Länder verbindliche Hitzeaktionspläne umsetzen – von Warnstufen über kühle Aufenthaltsorte bis zu Grünflächenprogrammen – können wir Millionen Menschenleben retten und hohe Folgekosten vermeiden. Hitze betrifft uns alle. Jetzt heißt es: Handeln, bevor es zu spät ist.



