Weiße Lawinen: Die Katastrophe von Galtür und Valzur (Ischgl) 1999
- crisewise Redaktion
- 23. Feb. 1999
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Mai

Am 23. Februar 1999 brach in den Tiroler Alpen eine Lawine ungeahnten Ausmaßes los. In weniger als einer Minute stürzten rund 300.000 Tonnen Schnee aus 50 Metern Höhe mit bis zu 290 km/h in das hintere Paznauntal. Betroffen waren die Dörfer Galtür und der Weiler Valzur in der Gemeinde Ischgl. Insgesamt verloren 38 Menschen ihr Leben, davon 31 in Galtür und sieben in Valzur, etwa 48 weitere wurden verletzt.
Hintergrund und Wetterlage
Bereits ab dem 20. Januar 1999 fielen in der Region enorme Schneemengen – teils bis zu 4 Meter aufeinander aufbauender Pulverschnee. Schwankende Temperaturen führten zu einer harten Eis-Kruste unter der frischen Schneedecke. Zugleich türmten starke Nordwest-Winde Schnee zu massiven Verwehungswechten auf. Dieses brüchige Schichtenprofil bildete den Nährboden für die katastrophale Lawinenabgangszone.
Lawinenzonen und Fehleinschätzungen
Galtür war gemäß behördlicher Gefahrenkarte als „grüne Zone“ eingestuft und galt als verhältnismäßig sicher. Valzur zählte zur „gelben Zone“, in der man verstärkte Bauten vorsah. Nach dem Unglück zeigte sich, dass beide Einstufungen auf unvollständigen historischen Daten beruhten und nicht für Extremfälle wie 1999 ausreichten.
Der Ablauf am 23. Februar Am Nachmittag gegen 16 Uhr brach die Schneedecke abrupt: Eine Staublawine ergoss sich talwärts und erreichte Galtür in weniger als einer Minute. Innerhalb von Sekunden wurden Autos umgeworfen, Häuser eingedrückt und Menschen unter meterhohen Schneemassen begraben.
Rettungseinsatz per Luftbrücke
Wegen blockierter Zufahrtsstraßen konnten Helfer das Tal nur per Hubschrauber erreichen. Über 50 Luftfahrzeuge aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, den USA und weiteren Ländern evakuierten bis zu 7.000 Menschen und transportierten 271 Tonnen Ausrüstung in mehr als 900 Einsatzstunden. Rettungshunde wie Heiko und Jack retteten Überlebende, die teils über Stunden verschüttet waren.
Opfer und Schäden In Galtür verschüttete die Lawine 57 Personen, von denen 31 starben. In Valzur kamen sieben Menschen ums Leben. Etwa 48 Menschen wurden teils schwer verletzt. Sechs Häuser in Galtür und sieben in Valzur wurden komplett zerstört, rund 60 Gebäude schwer beschädigt. Der Sachschaden betrug etwa 10 bis 11 Millionen Euro.
Ursachen und Versäumnisse
Nach der Katastrophe kritisierten Experten, dass alte Lawinenkarten nicht an veränderte Schneeverhältnisse angepasst worden waren. Fehlende Wetter- und Schneemessstationen führten zu keiner rechtzeitigen Warnung. Außerdem wurde bebaut, wo man vermeintlich sicher war – doch Extreme wie 1999 lagen außerhalb aller bisherigen Erfahrungswerte.
Aufarbeitung und Schutzmaßnahmen
Noch im Katastrophenjahr errichtete man über Galtür einen steinernen Schutzwall und verschärfte die Gefahrenzonengrenzen. Stahlzäune und Lawinendämme sollten künftig große Schneerutsche brechen. Die „grüne Zone“ wurde neu klassifiziert, und Bauvorhaben in gefährdeten Bereichen wurden untersagt oder nur mit hohen Schutzauflagen erlaubt.
Lehren für die Zukunft
Die Tragödie von Galtür und Valzur lehrt:
Dynamische Gefahrenkarten statt statischer Bewertungen.
Detaillierte Schneemessungen und Seismik-Sensoren zur Früherkennung.
Regelmäßige Übungen für Evakuierung und Luftrettung.
Öffentlichkeitsarbeit, damit Touristen und Einheimische Lawinengefahr ernst nehmen.
Auch 25 Jahre später erinnert ein Mahnmal am Ortseingang von Galtür an die Opfer. Die Region gilt heute als eine der bestgeschützten Alpen-Gemeinden – ein Zeugnis dafür, wie aus menschlichem Leid wirksame Sicherheitskonzepte entstehen können.