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Gletscher-Lawine in Blatten: Eine Tragödie im Zeichen des Klimawandels

  • Autorenbild: crisewise Redaktion
    crisewise Redaktion
  • 1. Juni
  • 4 Min. Lesezeit

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Am 28. Mai 2025 wurde das Bergdorf Blatten im Lötschental im Schweizer Kanton Wallis von einer gewaltigen Gletscher-Lawine erfasst. In weniger als einer Sekunde rutschten Millionen Kubikmeter Eis, Fels und Geröll ins Tal und begruben fast das gesamte Dorf unter sich. Dieser Artikel erklärt, was passiert ist, wie es dazu kam und welche Folgen das Unglück für die Region hat.


Was ist genau passiert?

Am 28. Mai 2025, gegen 15:24 Uhr, löste sich oberhalb von Blatten ein riesiger Teil des Birchgletschers (Birchgletscher) samt darüber liegendem Schuttberg. Unter dem Gewicht der Schuttmassen rutschte der Gletscher auf Schmelzwasserpolstern nach unten, bis rund 6 Millionen Kubikmeter Felsmaterial und zusätzlich 3 Millionen Kubikmeter Eis in das Tal donnerten. Auf einer Strecke von etwa 2,5 Kilometern türmten sich Geröll und Eis zwischen 50 und 100 Meter hoch auf und verschütteten fast 90 Prozent des Dorfes.

Der Schuttberg, der am Talboden entstand, blockierte den Fluss Lonza, sodass Wasser aufstaute und ein sogenannter Stausee hinter dem Schuttkegel entstand. Zeitweise stieg der Pegel um 80 Zentimeter pro Stunde, ehe das Wasser langsam durch Rinnen abfloss. Ein Murgang oder eine Flutwelle blieb aus, doch das Dorf war vollständig zerstört.


Evakuierung und Vermisste

Bereits am 17. Mai 2025 hatten Geologen im Gebiet oberhalb von Blatten eine ungewöhnliche Bewegung registriert: In wenigen Tagen hatte sich der Berg um 17 Meter geneigt. Deshalb wurden am 19. Mai alle rund 300 Bewohner in nur zwei Stunden evakuiert Auch die Nutztiere wurden in Sicherheit gebracht – die letzte Kuh (Loni) wurde per Hubschrauber ausgeflogen.

Dank dieser Frühwarnung kam es laut offiziellen Angaben zu keinen bestätigten Todesopfern im Dorf – ein 64-jähriger Hirte wird jedoch noch immer vermisst, weil er kurzzeitig in der Gefahrenzone nach seinen Schafen sah und vom Bergsturz überrascht wurde. Alle anderen Bewohner konnten rechtzeitig in sichere Gebiete evakuiert werden.


Ausmaß der Zerstörung

Das einst von rund 300 Menschen bewohnte Blatten liegt auf etwa 1.500 Metern Höhe. Durch den Gletscher-Sturz wurden 130 Häuser inklusive der Kirche verschüttet, weitere Gebäude von außen überflutet, als die Lonza sich einen Weg durch den Schutt suchte. Bei etwa 90 Prozent der Häuser blieb nur noch das Fundament erkennbar. Im ganzen Lötschental sah man meterhohe Geröllwände, und Straßen sowie Brücken wurden zerstört oder unpassierbar gemacht.

Ein Drittel des Schuttkegels besteht aus Gletschereis. Geologen warnten, dass mit steigenden Temperaturen das Eis im Inneren weiter schmilzt und den Gletscherrest instabil hält. Drohende Nachrutsche könnten deshalb jederzeit weitere Murgänge auslösen.


Frühwarnsystem und Messungen

Die Evakuierung ging auf ein breites Messnetz zurück, das Seismik-Stationen, GPS-Messpunkte und Satelliten-Beobachtung kombiniert. Bereits seit Wochen hatten Experten einen drastischen Anstieg der Bodenbewegungen im Bereich des Kleinen Nesthorn gemessen. Am Tag des Unglücks zeigte das seismische Netzwerk eine Erschütterung von Magnitude 3,1, vergleichbar mit einem kleinen Erdbeben.

Zusätzlich schätzten Spezialisten des Kantons Wallis, dass sich bis zu mehrere Hunderttausend Kubikmeter Fels oberhalb noch lösen könnten. Für die Bevölkerung war deshalb eine mehrstufige Gefahrenkarte entwickelt worden: Bereits in der roten Gefahrenzone musste jeder das Dorf verlassen.


Hilfe und Rettungseinsatz

Nach dem Bergsturz waren über 50 Armeeangehörige und Hunderte Helfer von Feuerwehr, Kantonspolizei und zivilen Rettungsdiensten im Einsatz. Ihr Ziel war zunächst, Gefahren für die darunterliegenden Ortschaften Gampel und Steg zu verhindern. Sie errichteten Maschinen, um den kontrollierten Abfluss des Lonza-Wassers sicherzustellen und die Geröllmengen in Rinne zu halten .

Ein Stauvolumen von knapp 1 Million m³ Wasser war erreicht, ehe die Lonza sich selbstständig einen Durchlass suchte. Hubschrauber brachten Geräte und Nahrung in die Region, Drohnen überwachten den Schuttberg. Die Schweizer Armee sicherte außerdem Evakuierung r untersterer Ortschaften, falls das Wasser die Dämme übersteigen sollte.


Ursachen und Klimawandel

Als hauptsächliche Auslöser gelten:

  1. Gesteins- und Eisabbrüche oberhalb des Birchgletschers: Tagelang waren Felsbrocken vom Kleinen Nesthorn herabgestürzt. Diese Schuttmassen lasteten schwer auf dem Gletscher und schwächten seine Stabilität.

  2. Schmelzwasser unter dem Gletscher: Durch Wärme bildete sich am Gletscherfuß ein Wasserpolster, auf dem sich die Eismassen leichter verschieben konnten.

  3. Klimawandel: Steigende Durchschnittstemperaturen lassen Eismassen an Gletscherzungen instabiler werden, der Permafrostboden taut, und so bröckeln Felswände häufiger ab als früher.

Geologen sehen klare Parallelen zu früheren Katastrophen wie dem Pizzo-Cengalo-Absturz 2017, als ebenfalls mehrere Millionen Kubikmeter Fels einen Gletscher mitrissen und eine Murgangwelle auslösten .


Ökonomische und soziale Folgen

Für die rund 300 Einwohner von Blatten ist ihre Heimat aktuell nicht mehr bewohnbar. Viele Existenzen – drei Hotels und landwirtschaftliche Betriebe – sind zerstört. Versicherungsexperten schätzen die Schäden auf mehrere hundert Millionen Euro, doch im Wallis gibt es keine Pflichtversicherung für Gebäude.

Zudem bedroht das gesamte Lötschental die Möglichkeit künftiger Murgänge. Höhenabhängig bleiben landwirtschaftliche Flächen verpachtet, und die Tourismus-Industrie leidet darunter, weil Wanderwege und Skirouten geschlossen werden. Selbst saisonale Arbeitsplätze sind gefährdet, da die Bewohner nur vorerst an anderen Orten Schutz fanden.


Lehren und Ausblick

Blatten bleibt nach wie vor evakuiert. Der Kanton Wallis prüft, ob der Ort an derselben Stelle wieder aufgebaut werden kann oder ein Wechsel des Standortes nötig ist. Bürgerinnen und Bürger fordern mehrere Maßnahmen:

  • Ausbau des Frühwarnsystems: Noch engmaschigere Messungen und automatisierte Alarme, die direkt auf Handys der Bewohner eingehen.

  • Schutzbauwerke: Lawinen- und Felsbarrieren, die den nächsten Bergsturz abfangen, sind geplant.

  • Naturnahe Waldpflege: Aufforstungen in der Rinne und an Hängen, um den Boden zu stabilisieren.

  • Klimaanpassung: In Schul- und Gemeindekonzepten soll das Thema klimabedingte Naturgefahren stärker verankert werden.

Ein modernes Risikomanagement kombiniert digitale Karten, Echtzeit-Daten aus Drohnenflügen und Gefahrenprognosen, die gemeinsam mit Anwohnern besprochen werden. Nur so lasse sich verhindern, dass ein einst stabiles Bergdorf erneut von einer Massenbewegung überrascht wird.


Fazit

Der Gletscher-Lawinen-Unfall in Blatten ist ein eindrückliches Beispiel dafür, wie der Klimawandel und geologische Prozesse zusammenwirken können. Dank des Frühwarnsystems wurden Menschenleben gerettet. Doch die Zerstörung des Dorfes und die ökonomischen Folgekosten sind immens.

Um zukünftige Katastrophen zu vermeiden, sind weiterer Ausbau von Messnetzen, verstärkte Sicherheitsvorkehrungen und vor allem langfristige Klimaanpassungsstrategien nötig. Nur so können Alm- und Bergdörfer in den Schweizer Alpen sicher in die Zukunft blicken.


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